Rund hundert Hochlandrinder leben am Fürsterhof in Ramsau am Dachstein. Marietta Schweighofer und Richard Langsteiner erkennen jedes einzelne ihrer Tiere schon auf den ersten Blick. In ihrem Hofladen verkaufen sie Fleisch- und Wurstspezialitäten, wohin sie mich heute eingeladen haben.
Zu Gast am Fürsterhof
Der Spätherbst hat die Landschaft rund um den Fürsterhof in goldene Farben getaucht. Auf den Weiden vor dem bäuerlichen Anwesen grasen die Hochlandrinder, die ich von der Terrasse des Bauernhofs aus beobachte. Und ich bin nicht die einzige. Eine Familie mit Kindern steht am Weidezaun und versucht, die Tiere anzulocken. „Wenn Gäste auf den Hof kommen, ist der erste Weg meist zu den Hochlandrindern“, erzählt Marietta während sie mir Kaffee einschenkt. Mariettas Mama, Elisabeth, unterbricht kurz ihre Vorbereitungen für das Mittagessen und reicht uns selbstgebackenen Kuchen durch das geöffnete Küchenfenster. Die Milch für den Kaffee kommt nicht von den Hochlandrindern. Die ist ausschließlich für die Kälber bestimmt, erfahre ich. Aufgrund der Mutterkuhhaltung und der ursprünglichen Rasse sind die Hochlandrinder charakteristisch scheu. „Reserviert“, wie es Marietta bezeichnet. Nur wenige Herdenmitglieder lassen sich streicheln. Rund hundert Tiere sind es an der Zahl, die friedlich auf den Weiden rund um den Fürsterhof grasen. Für mich sehen alle gleich aus: Spitze Hörner und lange braune Zottel, die nicht nur den Körper sondern auch fast das ganze Gesicht verdecken. „Mein Richard erkennt jedes unserer Rinder auf den ersten Blick“, schmunzelt Marietta, „er weiß auch, welche Kälber zu welcher Kuh gehören.“ Und es sind viele Kälber, die sich unter die erwachsenen Tiere gemischt haben, stelle ich fest. Ein Teil davon wurde während des letzten Almsommers geboren. Seit einigen Wochen sind die Hochlandrinder wieder zuhause. „Der letzte Almabtrieb war unkompliziert“, erzählt Marietta. Das ist nicht immer so. Nicht selten braucht es zwei, drei Anläufe bis die ganze Herde wieder im Tal ist. Da kommt es schon vor, dass bereits der Schnee die Almen bedeckt. „Die Hochlandrinder haben ihren eigenen Kopf. Da braucht man Geduld“, lacht Marietta. Das ganze Jahr über leben die Tiere draußen. Auch den bevorstehenden Winter wird die Herde im Freien verbringen. Wenn auch im Tal.
Zeit nehmen, Zeit schenken
Marietta will mir die Gästezimmer im Fürsterhof zeigen. Im Eingangsbereich hängt eine gerahmte Fotografie. Sie zeigt Mariettas Papa Matthias, wie er sich einem Hochlandrind zuneigt. Er war es, der vor über zwanzig Jahren mit der Zucht der Hochlandrinder am Fürsterhof begonnen hat. Wir steigen die Holzstiege hinauf. Marietta zeigt mir eines der fünf Gästezimmer: das „Dirndlzimmer“. Vor einigen Jahren wurden alle Gästezimmer umgebaut und neu gestaltet. Trotzdem ist das traditionelle Flair erhalten geblieben. Die Unterkunft besticht durch freigelegte Querbalken an der Decke, Holzmöbel, karierte Bettwäsche, Vorhänge mit Blumenmuster. Viele Urlauber kommen bereits seit Jahren auf den Fürsterhof. Immer wieder zieht es sie hier her. Tagsüber sind sie unterwegs, erkunden die Ramsau, die Abende verbringen sie oft mit Marietta und Richard, berichten über Erlebtes, wollen mehr über die Berge und ihre Bewohner erfahren.
Marietta führt mich weiter durch das geschichtsträchtige Bauernhaus, das ihre Familie um 1900 erworben hat. Sie öffnet eine Tür im Erdgeschoß. Der Duft nach Geräuchertem steigt mir in die Nase. Wir sind im Hof-Laden. Hier verkaufen Marietta und Richard ihre Fleisch- und Wurstspezialitäten. Für die Herstellung und die Veredelung der Produkte ist Richard zuständig. Er ist gelernter Fleischer. Bereits mehrere Male wurden seine Produkte prämiert. Das Fleisch ist dunkler als beim Fleckvieh und sehr feinfasrig. Nach dem das Fleisch vakuumiert verpackt worden ist, hat es noch fünf Wochen Zeit in sich zu reifen. „Dadurch wird es mürber. So kann man jeden Teil des Rindes wie ein Steak behandeln“, weiß Marietta. Ich schaue mir die Regale mit den Würsten genauer an und muss über den Namen „Zottelnossi“ schmunzeln, der auf einer Verpackung von Jausenwürsten zu lesen ist. „Die Würstel schauen nicht immer gleich aus“, erklärt Marietta. „Wir verkaufen keine Massenware. Jedes soll ein Unikat sein.“ Neben Produkten vom Hochlandrind sind auch Schwein- und Wildspezialitäten, die von Richard zugekauft und veredelt worden sind, erhältlich. „Letztes Jahr gab es zum Beispiel Gamsschinken. Das nennt man dann Limited Edition“, lacht Marietta.
Für die Beratung der Kunden nimmt sie sich viel Zeit und bietet auch Kostproben an. „Essen rückt immer mehr in den Mittelpunkt“, weiß Marietta, „die Leute legen zunehmend Wert auf Qualität.“ Jeden Freitagvormittag verkauft Papa Matthias die Wurst- und Fleischspezialitäten auf dem Bauernmarkt im benachbarten Ort Schladming. Doch nicht nur die Einheimischen schätzen die hochwertigen Produkte. Viele Urlaubsgäste bestellen bereits vor der Anreise und holen die Ware kurz vor ihrer Heimfahrt im Hofladen ab. „Da spürt man, wie die eigene Arbeit wertgeschätzt wird“, freut Marietta sich. Und diese Wertschätzung erfährt sie täglich durch das „Mmmmh“ aus dem Mund ihrer Kunden, die die Kostproben im Hofladen wahrlich genießen.
Mehr Informationen finden Sie hier…