>>Von heiß auf kalt und kälter: es wäre Herbst aber der große blaue Teppich über uns macht was er will und verändert fast täglich die Temperaturen. Da wissen nicht mal meine üppigen Zottln, ob sie kühlen oder wärmen sollen. Eine verrückte Zeit, fast ein bisschen verhext!
Verhext! Ja das ist wohl das passendste Wort für den letzten Almsommer: vor ein paar Tagen wurden auch meine Herde und ich von unserem Sommerurlaub wieder abgeholt und nach Hause zum „Fürsterhof“ gebracht. Doch bevor es überhaupt zu dieser Reise kommen konnte, mussten unsere Zweibeiner und meine Herde ein Abenteuer erleben.
Es begann an einem wunderschönen sonnigen Tag, die Gräser schmeckten besonders frisch und saftig und die Herde war in absoluter Urlaubsstimmung. Fressen, verdauen, schlafen und wieder von vorne loslegen – stressfrei und total entspannt. So konnte es von mir aus den ganzen Tag weitergehen… doch unsere „Glockkuh“ Ragenhild, hatte andere Pläne für uns in ihrem zottligen (Dick-)Kopf. Und wenn sie mit lautem Gebimmel beschließt, dass wir weiterziehen, dann folgen wir ihr alle ohne Wiederworte, schließlich führt sie uns schon jahrelang sicher durch das Almgebiet. Doch an diesem Tag sollte alles anders kommen als gedacht…
Die Herde setzte sich wiederkäuend und träge in Bewegung, unsere jüngsten Herdenmitglieder standen dicht an dicht mit ihren Mutterkühen aufgeregt beisammen, waren einige von ihnen doch gerade einmal ein paar Tage alt.
Die Sonne heizte ordentlich vom strahlend blauen Himmel, beste Voraussetzungen für die Wanderung.
Ganz vorne bimmelte Ragenhild vor sich hin und wies uns so den Weg zu neuen saftigen Auen. Die Jungtiere hörte man immer wieder in unsere Reihen aufgeregt muhen. Wir waren schon eine ganze Weile unterwegs bis das Licht und die Luft sich schlagartig änderten: Nebel zog rasend schnell auf, versperrte uns die Sicht auf die Vorderkuh und den bevorstehenden Weg. Jetzt mussten wir uns ganz auf das Gebimmel von Ragenhild´s Glocke verlassen um die Orientierung nicht zu verlieren. Für einen alten Ochsen wie mich überhaupt kein Problem, doch man hörte und spürte die Verunsicherung der jungen Kälber und ihren Mutterkühen. Doch noch war die Herde beisammen. Im Trott gingen wir hintereinander dem vertrauten Klang der Glocke nach, der Wind brauste um die Ohren, ansonsten war es still…
Bis plötzlich ein lauter, panischer Hilferuf aus der letzten Reihe nach vorne Drang: die Mutterkuh Bella rief laut nach ihrem Kalb Bruno, dass sie in der Dicke des Nebels verloren hatte. Als Antwort kam ein leises Muhen aus weiter Ferne – er war vom Weg abgekommen. Um ihr zu helfen, stimmte die gesamte Herde in ein lautes Muhen ein, um Bruno den Weg zu weisen. Doch es war vergebens, der kleine Racker traute sich nicht vom Fleck. Bella war so verzweifelt, dass sie Kehrt machte um nach ihrem Kalb zu suchen. Wir warteten und warteten auf ihre Rückkehr, riefen nach ihnen doch die beiden waren wie vom Nebel verschluckt. Auch der Wind hatte gedreht und wir konnten ihr Muhen nicht mehr hören. Schweren Herzens beschloss Ragenhild weiterzuziehen, die Herde folgte ihr mit dumpfen Schritten. Jeder dachte an unsere beiden Gefährten die nun irgendwo auf sich alleine gestellt waren…
So schnell wie der Nebel gekommen war, klärte sich der Himmel auch wieder auf und gab die Sicht auf das weite Almgebiet wieder frei. Von Bella und Bruno fehlte dennoch jede Spur. Wir riefen trotzdem nochmal nach ihnen, vielleicht konnten sie uns nun doch hören? Doch eine Antwort blieb aus…
Statt einem Gemuhe hörten wir aber das vertraute summen des Motors unserer Zweibeiner. Marietta und Richard hatten unsere Hilferufe irgendwie bis nach Hause vernommen (über einen „Anruf“ wie ich später hören sollte, was auch immer das ist).
Zuerst stärkten sie uns mit leckerem Salz und Kraftfutter, was für ein Festschmaus! Die Streicheleinheiten die wir von unserer Zweibein-Mutti bekamen, beruhigten unsere Nerven und ich merkte wie sich die Aufregung langsam in der Herde legte.
Nachdem sie sich versichert hatten, dass nur Bella und Bruno fehlten, marschierten Richard und Marietta los, talabwärts. Dorthin wo wir Bella das letzte Mal gehört hatten. Sie hatten einen steilen, langen Fußmarsch vor sich, am liebsten hätte ich sie begleitet, doch ich wusste, dass meine Herde mich nun mehr brauchte. Trotzdem versuchten meine Augen die beiden immer wieder zu erspähen, bis sie im Latschendickicht verschwunden waren. Die Sonne kreiste unverhohlen ihren Lauf, schier endlose Stunden vergingen, ohne auch nur irgendetwas von den Zweibeinern oder unseren vermissten Herdenmitgliedern zu hören…
Ich sagte ja – es war wie verhext!
Schön langsam brach die Dämmerung an, das Licht wurde immer weniger. Plötzlich hörte ich ein Rascheln in den Latschen. Ragenhild hatte es auch vernommen und gab einen warnenden, tiefen Laut von sich. Wer auch immer da auf uns zukam, wusste nun das wir auf ihn warteten…
„Geeee Ragenhild! Wirst uns doch erkennen?“ – hörte ich die vertraute Stimme unseres Zweibein-Papas ertönen. Es dauerte auch nicht lange da konnte wir ihn und Marietta in der Dämmerung erkennen. Sie schnauften und schwitzten, waren mit ihren Kräften am Ende! Denn zwischen ihnen trugen sie unseren Bruno, wohlauf aber stark ermüdet. Auch Bella schnaufte beachtlich hinter ihnen, doch als sie unsere Herde vor sich sah, strahlte eine tiefe Ruhe von ihr aus. Richard und Marietta setzten Bruno sanft auf den Boden ab und legten sich dann ebenfalls hin. Ob sie ein wenig Kraftfutter brauchten?
Aufmunternd schleckte ich ihre verdreckten Stiefel ab: DANKE dass ihr unsere Herde wieder vereint habt! Meine Zweibein-Mami hatte schneller wieder Luft und streichelte mir den Hals: „Braver Bauxl, jetzt seid´s wieder beisammen! Und bald geht´s nach Hause!“<<
…
Tatsächlich wurden wir wenige Tage später mit unserem Transporter abgeholt. Nach der Aufregung machte auch kein Herdenmitglied auf dickköpfig. Alle wollten so schnell wie möglich heim.☺
Nun grasen wir gemütlich zu Hause am „Fürsterhof“ und die plötzlichen Wetterwechsel sind uns schnurtzpiepsegal, denn wir alle wissen: hier sind wir sicher!
Zottelige Grüße,
euer Bauxl